Christine Dicker
Greenwashing oder Greenacting?
Aktualisiert: 29. Juni
- HINTERGRUND -
Um so mehr ich mich mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftige, desto ratloser werde ich. Warum das so ist? Weil so unglaublich viel Greenwashing betrieben wird. Weil wir Verbraucher so viele Zusammenhänge gar nicht sehen können, uns die Transparenz fehlt. Wie also damit umgehen?

Als ich vor einigen Jahren den ersten Newsletter zur Nachhaltigkeit herausgegeben habe, da habe ich es noch um einiges einfacher empfunden: Die ersten Bienenwachstücher kamen auf den Markt, Produkte wie Taschen aus recycelten PET-Flaschen oder aus Segeltuch wurden vorgestellt – dankbar habe ich diese Anregungen aufgenommen. Heute hinterfrage ich, hinterfragen wir alle viel mehr. Mittlerweile führe ich viele Diskussionen mit Freunden und Geschäftspartnern. Lese viel dazu und fühle mich auch ein Stück hilf- und ratloser.

Auch weil ich erkenne, wie komplex das Thema ist. Anfang der Woche zum Beispiel habe ich mit dem Bayerischen Journalistenverband den Flughafen Nürnberg besucht. Bei dem steht das Thema Nachhaltigkeit ganz oben auf der Agenda. Bei der Energieversorgung, bei der Beleuchtung, wie auch bei der Mobilität setzen die Nürnberger auf Photovoltaik, Hackschnitzelwärme, LED-Beleuchtung, E-Mobilität und vieles andere mehr. Und laut Christian Albrecht, dem Pressesprecher des Airport-Nürnbergs, arbeiten auch die Airlines daran, ihren Energieverbrauch weiter zu reduzieren. Insbesondere die Nutzer von Privatmaschinen setzen hier häufig schon auf alternative Energien. Ich will jetzt an dieser Stelle das Fliegen und dessen Auswirkungen auf die Umwelt nicht schön reden – doch zeigt dieses Beispiel, dass nicht alle immer so einfach ist.

Um noch ein Beispiel zu geben: Verpackung ist ein heißes Thema in der Branche. Umverpackungen werden heute immer reduzierter, sind aus recyceltem Karton, der Aufdruck aus wasserbasierten Farben. Ganz weglassen kann man sie nicht, sie dienen dem Schutz des Produktes, geben dem Verbraucher Orientierung und außerdem verlangt der Gesetzgeber, dass auch alle wesentlichen Produktinfos auf den Verpackungen kommuniziert werden müssen. Dieser Schutz des Produktes führt dann im Lebensmittelbereich dazu, dass oft Kunststoff verwendet wird. Klarer Vorteil: Der trägt dazu bei, dass Lebensmittel länger haltbar sind – was ja wieder durchaus positiv ist. Die Kehrseite ist die Unmenge an Kunststoffverpackungen, die dabei entsteht. Die sammeln wir brav im gelben Sack. Und häufig landet dessen Inhalt dann in Ostasien zum „Recyceln“ – sprich, in der Natur oder er wird verbrannt.
Wenn wir schon beim Thema Lebensmittel sind: Hier hat sich in punkto Aufbewahren, To-Go und länger haltbar machen, viel getan. Vielleicht trägt das dazu bei, dass die enormen Mengen an Lebenmitteln, die jährlich von uns weggeworfen werden – es sind 11 Millionen Tonnen, davon kommen 60 % aus Privathaushalten, – reduziert werden können. Gerade unsere Branche hat da viele Produkte für unterwegs in den vergangenen Jahren entwickelt. Die von Verbrauchern gut genutzt werden: Das belegte Brot aus dem Bienenwachstuch packen oder den Salat aus einer Box löffeln – vielleicht noch mit einem To-Go-Besteck. Die Fast-Food-Gastronomie hinkt da noch hinterher: Sie muss zwar alternativ ein Mehrweggeschirr anbieten, aber eben nur alternativ, und es gibt viele Ausnahmen. Will man das Mehrwegangebot nutzen, dann zahlt man dafür ein Pfand. Für viele ein Grund, dann doch wieder zur Wegwerfverpackung zu greifen. Das Ergebnis: 350.000 Tonnen Abfall aus Einwegverpackungen, so in der Zeit am 29. Juni zu lesen. Schade, und ein klares Versäumnis der Politik. Die hat mit einem Gesetzesentwurf in der letzten Juniwoche bewiesen, dass sie das auch nicht ändern will. Bundesumweltministerin Steffi Lemke von den Grünen hat zwar nachgebessert, aber eben nur halbherzig. Mein Fazit: ich habe immer einen To-Go-Kaffeebecher dabei.
Dieses Thema ließe sich noch viel weiter vertiefen – sei es bei Textilien, von denen wir häufig nicht wissen, unter welchen Bedingungen sie hergestellt sind, oder auch bei den Produkten unserer Branche. Es hilft nur eines: Aufmerksam sein, vieles kritisch hinterfragen. Machen wir uns auf den Weg, er ist noch weit.
Literaturtipp: Le Monde diplomatque, Atlas der Globalisierung www.monde-diplomatique.de