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  • AutorenbildHartmut Kamphausen

Das Wichtigste sind die Konzepte für danach

- HINTERGRUND -

 

Seit einigen Tagen hat Bernard Homann sein Geschäft „Schenken-Kochen-Wohnen“ in der Innenstadt von Dülmen in NRW geschlossen. Wir haben Ende der letzten Woche mit ihm über die aktuelle Situation und mögliche Perspektiven gesprochen.


tischgespraech.de: Wie stellt sich die Situation für Sie dar?

Homann: Laut der behördlichen Auflagen mussten wir unser Geschäft schließen, das heißt, wir beschäftigen uns mit Verwaltungsarbeiten wie der Beantragung von Kurzarbeitergeld, wir beschäftigen uns mit der Verhandlung mit Lieferanten über Lieferungen und Zahlungsziele und wir beschäftigen uns mit Maßnahmen, mit denen wir einen 100-prozentigen Umsatzrückgang noch ein wenig abmildern können.

tischgespraech.de: Wie sehen diese Maßnahmen aus?

Homann: Natürlich versuchen wir, über den Onlineverkauf eine kleine Kompensation zu erzielen. Zum einen macht dieses Geschäft bei uns nur einen Anteil von 30 Prozent des Umsatzes aus, versuchen es aber hochzufahren. Zum anderen merken wir, dass die Kunden auch hier zurückhaltend sind. Die Einkaufslaune geht in dieser unklaren Situation unserer Einschätzung nach insgesamt zurück. Für Kunden aus der Umgebung haben wir darüber hinaus einen Lieferservice eingerichtet und eine rote Abholbank am Hintereingang platziert, auf der dann die per Telefon oder online bestellten Waren stehen und wo wir dann das Geld für den Einkauf vorfinden. Und wir arbeiten mit unserem Treuegutschein, den wir per Post an 1.500 Kunden verschicken und der Rabatte ab dem Tag einräumt, an dem wir wieder öffnen dürfen. Darüber hinaus erschließen wir quasi neue Geschäftsfelder.



tischgespraech.de: Wie sehen diese Geschäftsfelder aus?

Homann: Das ist natürlich ein großes Wort für Aktivitäten, die wir spontan gestartet haben: Wir helfen gerade mit zwei Mitarbeitern von uns beim lokalen Raiffeisen-Markt aus, der auf Schichtbetrieb umgestellt hat, und unser Online-Vertriebsleiter wird im Rahmen eines regionalen Wissenstransfers Webinare zum Onlinevertrieb durchführen. Dazu kommt ein Rollator- und Treppenlift-Notdienst, den wir eingerichtet haben, oder auch eine Kampagne mit der Lokalzeitung zum Thema „fit bleiben zu Hause“. Gerade auf der regionalen Ebene können wir jetzt wieder lernen, im Mittelstand zusammenzuhalten. Händler kaufen bei Händlern, Händler beschäftigen lokale Handwerker und bauen so das lokale Netzwerk aus.


tischgespraech.de: Reichen Ihrer Meinung nach die staatlichen Hilfen und wie lange ist eine Schließung für Sie zu überstehen?

Homann: Entscheidend ist es, dass die Fördergelder auch bei den Betroffenen ankommen, hier herrscht derzeit noch zu viel Unsicherheit und Unklarheit, nicht zuletzt darüber, wie diese Hilfen aussehen. Klar ist, dass jeder Händler in dieser Situation auf seine Rücklagen zurückgreifen muss. Die meisten werden die Lage für eine Zeit von etwa acht Wochen, vielleicht ein wenig mehr oder weniger, aushalten können.

tischgespraech.de: Sollte es denn eine direkte finanzielle Unterstützung über die Bereitstellung von Krediten und Steuerstundungen hinaus geben?

Homann: Bei einem Null-Umsatz und hohen Innenstadtmieten müssen sicherlich andere Lösungen her, das kann ein Handelsunternehmen nicht aus Rücklagen bezahlen oder über Kredite wieder auffangen. Es erscheint mir aber auch angebracht, dabei genau hinzusehen: Unternehmen, die nicht marktgerecht sind, wird es auf kurz oder lang treffen.


tischgespraech.de: Wie verhalten sich die Lieferanten?

Homann: Die, mit denen ich gesprochen habe, sind solidarisch und kooperativ. Es wird, wie beispielsweise von Gefu, nur noch geliefert, wenn man will und auch über Zahlungsziele lässt sich sprechen. Wir sind dann aber auch von unserer Seite solidarisch und senden jetzt keine bereits gelieferte Ware zurück. Nicht nur regional, auch in der Branche sollte jetzt zusammengehalten werden.

tischgespraech.de: Wie wird das die Handelslandschaft verändern?

Homann: Es werden sicherlich viele Händler auf der Strecke bleiben. Vielleicht entsteht dadurch aber auch eine neue Qualität des Handels und des Vertriebs. Entscheidend ist für jeden einzelnen Händler, eine Keimzelle für die weitere Existenz zu behalten. Das Kostbarste sind die Konzepte, die jeder im Kopf hat und die nach dieser Krise aufgebaut werden können. Wir haben einen neuen Vertriebsansatz in den letzten Monaten bereits auf den Weg gebracht, wurden jetzt aber vollkommen ausgebremst. Aber ich werde alles daran setzen, dass wir zu denen gehören, die nach überstandener Corona-Zeit wieder am Markt sind – und wollen dann mit unserem Konzept „Lebensfreude by Homann“ wieder durchstarten.

tischgespraech.de: Vielleicht ist es für die Frage noch zu früh, aber sehen Sie auch positive Effekte der Krise?

Homann: Sicher wird unser Leben nach dieser Krise ein anderes sein. Ich gehe davon aus, dass es einen Schub bei der Digitalisierung in allen Lebensbereichen, so auch bei uns im Handel, geben wird und dass die Handelskonzepte noch markt- und bedarfsorientierter werden, um stationär oder in der Mischform überleben zu können. Und: Wir werden wieder stärker darüber nachdenken, was wirklich existenziell wichtig ist. Das kann durchaus positiv sein.




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