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  • AutorenbildHartmut Kamphausen

Gesunde Ernährung steht an erster Stelle

- EXKLUSIV: HINTERGRUND -

 

Wie entwickelt sich das Kochen in Deutschland, welche Vorlieben spiegeln sich auf der heimischen Menükarte wider? Und welche Rolle spielen dabei die Küchenhelfer? Wir haben den Spitzenkoch Stefan Marquard gefragt, welche Trends, Entwicklungen – und Chancen – er sieht.


tischgespraech.de: Haben sich die Koch-Vorlieben und Essgewohnheiten der Deutschen in den letzten Monaten und Jahren verändert?

Marquard: Für mich zeigt sich eine Entwicklung immer deutlicher, die bereits in den letzten Jahren erkennbar war: Wir haben, wie in anderen Bereichen auch, in Deutschland auch beim Kochen und Essen eine immer stärkere Zwei-Klassen-Gesellschaft. Auf der einen Seite finden wir die eine Bevölkerungsgruppe, die sich von Convenience-Produkten ernähren und kein Verhältnis zu einer bewussten und gesunden Ernährung entwickelt. Diese Gruppe, deren Mitglieder sich oft in der bildungsfernen Schicht finden, zu animieren, sich saisonal und regional zu ernähren, halte ich für eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe. Zumal sich damit auch gegenüber den Convenience-Produkten Geld sparen und ein Gemeinschaftserlebnis erzeugen ließe.


Dieser Gruppe steht eine Bevölkerungsgruppe, zumeist aus der Mittel- und Oberschicht, gegenüber, die sich sehr bewusst ernährt, die vom Kochen und Essen begeistert ist, intensiv die Kochplattformen im Internet nutzt und dieses Bewusstsein auch an die nachfolgende Generation weitergibt. Diese Gruppe übt auch einen gewissen Druck auf Hersteller und Handel bei den Lebensmitteln aus, indem sie gezielt nach Inhaltsstoffen etc. nachfragen.


Die große Entwicklung sehe ich in dieser Zweiteilung. Was die Kochbegeisterten dann auf den Tisch bringen, gehört in den Bereich des persönlichen Geschmacks. Ob italienische Küche, asiatische, Fusion- oder regionale deutsche Küche – alles steht unter der genannten Prämisse auf dem Herd und dem Tisch.


tischgespraech.de: Spiegelt die Zahl der TV-Kochshows die Koch-Kompetenz in der Bevölkerung wider?

Marquard: Das ist weniger eine Frage der Koch-Kompetenz bei den Zuschauern, sondern der Kompetenz der Kochsendungen. Vieles läuft in Deutschland heute unter dem Diktat der Einschaltquoten, und so ist es auch bei diesem Genre. Dadurch geht oft der Mehrwert, der in Sendungen außerhalb Deutschlands durchaus gegeben ist, verloren. Wer diesen Mehrwert als Zuschauer haben will, muss die angerissenen Informationen nachverfolgen und ihnen akribisch nachgehen. Dass dies getan wird, davon kann man nur bei wenigen Zuschauern ausgehen.


An Bedeutung noch weiter zunehmen werden aber die Kochvideos und -anleitungen, die über die sozialen Medien, insbesondere Youtube, abgerufen werden können und die schon heute große Klickzahlen aufweisen. Dieses ausgesprochen alltagstaugliche Format ist extrem individualisierbar. Deshalb können die Interessenten hier genauer auswählen, ob sie diese Informationen verwenden können. Und da Zeit ein immer wichtigeres Gut für viele wird, haben diese Formate Vorteile gegenüber dem klassischen TV.


tischgespraech.de: Wie wirken sich Trends wie Mealprep oder auch die „Lebensmittelskandale“ auf die Kochgewohnheiten aus?

Marquard: Für die bereits angesprochene Zielgruppe der sich bewusst Ernährenden sind diese Trends und Ereignisse natürlich von großer Bedeutung. Es wird immer mehr darauf geachtet, welche Inhaltsstoffe bei Lebensmittel enthalten sind, woher sie kommen etc. Speisen dann zu Hause zu kochen und mitzunehmen, hat daher Konjunktur, aber auch das gemeinsame Kochen. Dabei geht es auch um die Erlebnisse mit der Familie und Freunden. Es wird immer stärker sortiert, was einem wichtig ist.


Als wichtig sehe ich an, dass die Lebensmittelindustrie, aber auch Hersteller beispielsweise von Küchenhelfern etc., sich klar machen, dass sie bei dieser Zielgruppe eindeutige Informationen liefern. Eine Süssigkeit wird hier nicht mehr als gesunde Ernährung für die Kinder akzeptiert und ein griechischer Schafskäse, der nach italienischem Rezept aus Kuhmilch im Allgäu hergestellt wird, ebensowenig.


tischgespraech.de: Geben neue Küchenhelfer Impulse in Richtung Kochverhalten - oder schafft dies nur ein Produkt wie ein selbstkochender Alleskönner?

Marquard: Natürlich, es gibt viele perfekt entwickelte und umgesetzte Küchenhelfer, die immer individuell Impulse geben können. Das reicht vom angesprochenen Alleskönner, der ein hervorragender Helfer in der Küche ist, bis hin zu kleinen aber sinnvollen Accessoires. Sie müssen aber zu den eigenen Wünschen und Erwartungen passen. Und man muss sich diese Dinge auch leisten können. Aber warum sollten das nicht auch als eine Investition in die Familie und in gute Erlebnisse gesehen werden?


Den Anbietern möchte ich empfehlen, ihre Produkte lieber mit einem Video oder einer App als mit einer Gebrauchsanleitung auszustatten. Denn die wird häufig nicht gelesen und bleibt eindimensional, wogegen Filme und Apps angesehen werden und ein multimediales Erleben liefern. Und wenn die Hersteller dies nicht haben, kann sich ja vielleicht ein Händler über solche Medien profilieren.


tischgespraech.de: Sie arbeiten intensiv mit Kindern und Jugendlichen im Rahmen von Kochkursen an Schulen zusammen. Hat die kommende Generation ein anderes Verhältnis zu Kochen und Ernährung als die aktuelle Eltern- und Großelterngeneration?

Marquard: Ich hoffe sehr auf die Generation Z! Denn ich treffe bei meiner Arbeit an Schulen immer wieder Jugendliche, die bereits im Alter von 14 bis 16 Jahren ein Bewusstsein entwickelt haben, für das unsere Generation mindestens vier bis fünf Jahrzehnte gebraucht hat - auch in Sachen Ernährung. Die Generation Z, so wie ich sie erlebe, weiß sehr genau, was sie will. Und deshalb müssen wir lernen, ihnen zuzuhören und sie zu verstehen. Je schneller wir verstehen und akzeptieren, was ihr Anliegen ist, umso schneller kommen wir auf einen richtigen Weg. Und das fängt im kleinen Kreis sowie bei der Ernährung und dem Konsum an. Denn eines ist sicher: Die Generation Z hat den längeren Atem.




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