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  • AutorenbildHartmut Kamphausen

Zehn Jahre in zehn Monaten

Aktualisiert: 28. Mai 2021

- HINTERGRUND -

 

Michael Grossmann war gut aufgestellt, um die LadentĂŒren in seinem GeschĂ€ft in einem Ortsteil von Friedrichshafen am Bodensee wieder zu öffnen. Die letzten Monate standen im Zeichen der SortimentsĂŒberarbeitung, der Optimierung der Warenwirtschaft und umfangreicher Hygienemaßnahmen. Jetzt heißt es aber erst einmal wieder weiter durchzuhalten.

Das GeschĂ€ft von Michael Grossmann liegt in schönster Umgebung – aber „auf dem Land“. Laufkundschaft Fehlanzeige, zu Grossmann muss man sich bewusst auf den Weg machen und ins Auto steigen. Zwar gehört zu den verschiedenen Sortimenten, die im Handelshaus angesiedelt sind, auch ein GetrĂ€nkemarkt, der die gesamte Zeit der beiden Lockdowns ĂŒber geöffnet bleiben durfte und darf und der zur Click & Collect-Station dient. Trotzdem mussten die Möglichkeiten einer Bestellung ebenso vorhanden sein, wie die Ware, die die Kundinnen und Kunden haben wollten. Die Voraussetzungen dafĂŒr: alle geschaffen. Aber damit lĂ€sst sich nur ein Bruchteil des Umsatzes erzielen, der bei einem geöffneten stationĂ€ren GeschĂ€ft gewohnt ist.

Das Jahr 2020 ist fĂŒr den FachhĂ€ndler am Bodensee gut gelaufen. Die Sortimentsstruktur passte zum Bedarf: Die Produkte beim Hausrat und dem Deko- und Diningbereich waren ebenso nachgefragt wie die im Bereich Basteln und DIY. Besonders erfolgreich zeigte sich das Segment Grillen, in dem Grossmann breit aufgestellt ist und beispielsweise seit vielen Jahren viele Grillseminare und Workshops anbietet. „Eigentlich hatten wir bis Mitte Dezember ein sehr gutes Jahr, auch wenn uns einige Monate im FrĂŒhjahr gefehlt haben“, berichtet Michael Grossmann.


Dass die Möglichkeit genommen wurde, mit einem kompletten WeihnachtsgeschĂ€ft noch etwas draufzusetzen, bedauert er zwar, konnte aber der Ruhephase bis Anfang Januar positive Aspekte abgewinnen: „Im Rahmen einer ruhig und konzentriert durchgefĂŒhrten Inventur konnten wir noch einmal unser Sortiment ĂŒberprĂŒfen und fokussieren“, beschreibt Grossmann eine Option, die sonst bei einem laufenden Nach-WeihnachtsgeschĂ€ft fast unmöglich ist. Überhaupt hat er wĂ€hrend der gesamten Zeit nach dem ersten Lockdown die gesammelten Erfahrungen analysiert und daraus strategische Entscheidungen entwickelt. Neben der PrĂ€zisierung des Sortimentes gehörte dazu die Optimierung des Warenwirtschaftssystems, um die Prozesse auch im Hinblick auf den eigenen Onlineshop und die MarktplatzprĂ€senz zu verbessern. Auch wenn sich dies logisch anhört, bleibt es trotz allem die unternehmerische Entscheidung, in dieser Phase deutlich zu investieren und sich, mit Blick auf die VerĂ€nderung der Konsumgewohnheiten, entsprechend zu positionieren.


Warenwirtschaft und E-Commerce vernetzen


Denn dass sich die Konsumgewohnheiten Ă€ndern, steht fĂŒr Michael Grossmann außer Frage. Der Onlineeinkauf wird stĂ€rker zur Gewohnheit auch bei Dingen des tĂ€glichen Bedarfs und auch bei Ă€lteren Zielgruppen. Darauf gilt es sich auch fĂŒr die Zeit geöffneter LadentĂŒren einzustellen. Bereits vor den pandemiebedingten Lockdowns war sein Unternehmen ĂŒber verschiedene KanĂ€le im E-Commerce tĂ€tig: mit einem ausgewĂ€hlten Sortiment im eigenen Onlineshop, ĂŒber ein breites Angebot im Marktplatz Compravo oder im regionalen Marktplatz Locamo. Vor allem ĂŒber den EK-Onlinemarktplatz Compravo sind ĂŒber den gesamten Zeitraum der geschlossenen LadentĂŒren der Großteil der Bestellungen fĂŒr das Click & Collect abgewickelt worden. Durch das verbesserte Warenwirtschaftssystem können die Daten der Produkte, die dort eingestellt werden sollen, einfach hochgeladen werden. Zentral ist dabei der EAN Code, dazu kommt nur noch der „Hauspreis“, Bilder und Produktinformationen liefert das System dann automatisch dazu. Grossmann: „Solche Dinge vereinfachen natĂŒrlich die AblĂ€ufe, da macht ein aufwendig gepflegter eigener Onlineshop immer weniger Sinn, zumal auch die Reichweite der MarktplĂ€tze grĂ¶ĂŸer ist.“

AktivitĂ€tsbereich Nummer drei neben der SortimentsĂŒberprĂŒfung und der Datenbearbeitung waren bei der Fritz Grossmann KG vorgesehene oder auch neu initiierte Umbaumaßnahmen. FĂŒr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter war es erleichternd, diese AktivitĂ€ten nicht wĂ€hrend des laufenden Betriebes durchfĂŒhren zu mĂŒssen und boten gleichzeitig sinnvolle BeschĂ€ftigung. „Die Dinge gingen Hand in Hand“, berichtet Michael Grossmann, „durch die VerĂ€nderungen im Sortiment konnte auch Platz geschaffen werden, beispielsweise neue Shoplösungen umzusetzen.“ So findet sich jetzt im GeschĂ€ft ein neuer RĂ€der-Shop als attraktiver Anlaufpunkt. „Man muss nach den Lockdowns anders aufgestellt sein, um bei den Kundinnen und Kunden neu interessant zu sein“, ist Grossmann ĂŒberzeugt.


Lernen aus dem ersten Lockdown


Zu den Investitionen, die Michael Grossmann getĂ€tigt hat, gehört auch die Bevorratung von Ware. Denn, so die Erfahrung aus der Öffnung nach dem ersten Lockdown, die Kundinnen und Kunden wollen einkaufen und direkt etwas mitnehmen. Und was dann nicht im Regal oder Lager steht, kann nicht verkauft werden. „Auch wenn es in dieser Situation, in der die Ware nicht abfließt, ein wenig Überwindung kostet, das Lager zu fĂŒllen, erscheint das als der richtige Weg“, so Grossmann. Beim Ordern erinnert man sich in Friedrichshafen durchaus auch an das Verhalten von Lieferanten wĂ€hrend des ersten Lockdowns und tendiert dann zu denen, die sich in dieser Zeit flexibel und kulant erwiesen haben. „Auch dadurch entsteht dann ein StĂŒck Sortimentsbereinigung“, sagt Michael Grossmann mit einem Augenzwinkern.


In der Zwischenzeit hĂ€lt das Handelshaus ĂŒber die sozialen Medien, ĂŒber Newsletter und Briefe den intensiven Kontakt. Das zahlt sich fĂŒr das Click & Collect-GeschĂ€ft, auch wenn dies immer nur einen Bruchteil des normalen Umsatzes erbringen kann, aus, aber auch fĂŒr die Kundenbindung insgesamt. „Manchmal“, berichtet der Inhaber, „wollen die Kundinnen oder Kunden einfach nur reden, was meine Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter als wichtige Kundenbindung sehen.“ Deshalb ist Grossmann auch ĂŒberzeugt, dass die Kundinnen und Kunden wieder ins GeschĂ€ft kommen werden, auch dann, wenn der erste Ansturm vorbei ist. Auch wenn der Onlineeinkauf immer mehr zum festen Bestandteil der Gewohnheiten wird, bleibt der soziale Aspekt des stationĂ€ren Handels und der damit verbundene Kauf, ob spontan oder geplant, erhalten. „Die soziale Komponente kann das Internet nicht liefern, zumindest noch nicht“, unterstreicht Grossmann. Derzeit ist jede Abteilung des Handelshauses mit einer Mitarbeiterin oder Mitarbeiter besetzt, um in jedem Segment kompetent ansprechbar zu sein.


Entscheidend: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitnehmen


Als entscheidenden Faktor fĂŒr die weitere ÜberlebensfĂ€higkeit seines Hauses sieht der Inhaber den Erhalt der Kompetenz im eigenen Haus. Deshalb hat er seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Wochen, in denen es keinen direkten Kundenkontakt gab, gezielt geschult, sei es zu Warenthemen, in der Warenwirtschaft oder der Handhabung der Social Media-KanĂ€le.


Und deshalb legt er Wert auf eine flache Hierarchie, ein Mit-Entscheiden und eine transparente Kommunikation. Als wichtigen Faktor sieht er das zu Beginn des ersten Lockdowns sofort installierte Intranet, in das auch die Aushilfen und TeilzeitkrĂ€fte eingebunden sind, die wĂ€hrend der Zeit des geschlossenen Ladens ansonsten die Beziehung zum Handelshaus ein wenig eingebĂŒĂŸt hĂ€tten. „Ich habe darĂŒber auch immer wieder unsere strategischen Entscheidungen und manchmal auch emotional-persönliche Reaktionen kommuniziert“, berichtet Grossmann. FĂŒr ihn ist das ein wichtiges Element, das zu einem erfolgreichen Agieren nach der Öffnung beitrĂ€gt.

„Viele der AktivitĂ€ten und Maßnahmen hĂ€tten wir auch ohne die Corona-Situation entwickelt“, ist sich Michael Grossmann sicher, „die Pandemie hat den Handel aber gezwungen, Entwicklungen fĂŒr die acht oder zehn Jahre zur VerfĂŒgung gestanden hĂ€tten, in acht bis zehn Monaten zu leisten.“ Das ist, zusammen mit der Ertragslage, fĂŒr ihn die große Herausforderung der Zeit.


Michael Grossmann sieht uneingeschrĂ€nkt die Notwendigkeit, die Corona-Zahlen weiter zu reduzieren, aber den Beschluss der Politik in der vergangenen Woche bedauert er aufgrund der mangelnden Perspektive, die damit ausgedrĂŒckt wird. „Jetzt gilt es, die Motivation bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und bei einem selber weiter hoch zu halten“, so Grossmann. Ein zweites Mal die Osterware wieder in die Pakete zu packen wĂ€re aus seiner Sicht dafĂŒr beim Handel wie bei den Herstellern ein harter Schlag.


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