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  • AutorenbildChristine Dicker

Grosse Wirkung mit einfachen Mitteln – Interview mit Stefan Suchanek

Aktualisiert: 20. Mai 2021

- HINTERGRUND -

 

Ladenbau Fresh up nach Corona – was erwarten Kunden nach der Pandemie und wie optimiert der Händler seinen Geschäftsraum mit geringem Budget? Das war das Thema des Vortrags, den Stefan Suchanek auf dem Consumer Goods Digital Day der Messe Frankfurt am 20.4.2021 gehalten hat. Ein inspirierender Vortrag mit vielen praxisnahen Tipps. Ein Grund für tischgespraech.de mit dem Münchner zu sprechen. Aber lesen Sie selbst.

tischgespraech.de: Sie haben auf dem Consumer Goods Digital Day der Messe Frankfurt in Ihrem Vortrag gezeigt, wie ein Ladenbau Fresh up nach Corona aussehen und eine Optimierung auch mit geringem Budget gelingen kann. Aber auch schon vor Corona war doch sicherlich Ihre Beratungsleistung gefragt? Erzählen Sie bitte, was Sie genau tun. Und erklären Sie bitte auch den wunderschönen Begriff Neuroästhetik.

Stefan Suchanek: Ich bin Innenarchitekt und Neuroästhetiker mit Schwerpunkt Ladenbau und 1999 zum Fernsehen, dort habe ich Bühnenbilder entwickelt. Bei dieser Tätigkeit durfte ich lernen, wie visuelle Kommunikation wirklich funktioniert, um auch mit wenig Aufwand eine große Wirkung zu erzielen. Das habe ich knapp zehn Jahre gemacht und hatte im Bayerischen Fernsehen auch eine eigene Sendung. Daraus habe ich viel ableiten können, vor allem als man zwischen 2006 und 2008 anfing, Läden nicht mehr komplett umzubauen, also alles rauszuschmeißen und neu zu bauen, sondern sie mit effektiven Mitteln aufzupeppen. Damals habe ich angefangen für Optiker Läden genau nach diesem Motto zu gestalten. Parallel dazu habe ich begonnen Vorträge zu halten, bei denen ich verdeutlicht habe, dass es das Zusammenspiel von Menschen ist, das, was die Menschen bewegt, worum es im Handel wirklich geht, nämlich nicht nur um die Bereitstellung von Produkten, sondern um die Begegnung von Menschen. Anfangs wurde das belächelt, heute kennt man die Wirkung von verkaufspsychologischen Effekten. Auch im Sinne der Nachhaltigkeit, wird der Ansatz der effektiven Inszenierung mit weniger Aufwand begrüßt.

Um die Menschen besser zu verstehen, habe ich zudem noch Wirtschaftspsychologie studiert. Es geht gerade im Handel nicht um Daten, sondern um Menschen. Sie wollen Produkte anfassen, fühlen und riechen. Für mich hat der Begriff Neuroästhetik eine ganz große Bedeutung: „Neuro“ steht für das Wissen, wie unser Gehirn Daten verarbeitet. „Ästhetik“ stammt vom griechischenWort „Aisthesis“ ist die Lehre von der leichten und sinnhaften Wahrnehmung. Das geht sogar auf Aristoteles zurück und bedeutet, dass wir die Dinge, die wir leicht wahrnehmen – wie z.B. ein kontrastbetont geschminktes Gesicht – auch im Gehirn bevorzugt verarbeiten. Im Rückschluss wird diese Wahrnehmung dann positiv besetzt. Deshalb bezeichnen wir Menschen, deren Gesichter symmetrisch sind, als schön. Und bevorzugen sie auch...


Dieses Wissen der sublimen Kommunikation und Entscheidungsbeeinflussung man auch im Ladenbau nutzen – zum Beispiel, wenn man nicht irgendeine „Kaufhaus-Musik“ im Geschäft laufen lässt, sondern sie bewusst und zielgruppenorientiert auswählt. Dieser Mehraufwand erzeugt Plausibilität und Beziehung und ist für viele schon ein Trigger. Oder das Thema Duft: Auch hier sollte man auf qualitative Beduftung setzen und diese auch visualisieren, um eine positive kognitive Resonanz zu erzeugen. Wenn ich zum Beispiel einen Apfelduft wähle, dann stelle ich eine Schale mit Äpfeln auf. Ein billiger Phantasieduft führt eher zu Kopfschmerz. Wir sollten immer versuchen, ganzheitlich und logisch zu arbeiten um unserem Unterbewusstsein Sicherheit zu vermitteln.

Diesen Vorteil habe ich nur im stationären Handel, Online kann das nicht leisten! Der Händler, der multisensorisch handelt, hat einen klaren Vorteil gegenüber dem Internet. Dessen Vorteil liegt ja nur im Preis, der schnellen Auswahl und der direkten Lieferung. Das heißt, wenn die Geschäfte wieder uneingeschränkt öffnen können, dann sollte der Handel auf eine erfrischende Inszenierung der Ware setzen, multisensorisch arbeiten. Das reine Anbieten von Ware ist definitiv vorbei.


tischgespraech.de: Sie haben es in Ihrem Vortrag so schön veranschaulicht: Aktuell überwiegen die Verbotsschilder, die Willkommenskultur kommt zu kurz. Wie kann der Handel wertschätzend seine Kunden durch das Geschäft leiten – und dabei die Hygieneregeln beachten, die uns sicher noch lange begleiten werden?

Stefan Suchanek: Oberste Priorität muss natürlich sein, die Gesundheit zu schützen. Aber wir sollten darauf achten, aus den Verboten Gebote zu machen. Der Ton macht die Musik, auch Plakatierungen sind Zwischentöne. Außerdem – viele Kunden sind durchaus dankbar für die Abstandsregeln. Wenn wir mit mehr Freundlichkeit, Offenheit und Anstand arbeiten, dann sind diese Regeln viel leichter umzusetzen. Zum Beispiel statt negativ besetzten Absperrbändern lieber schicke Kordeln verwenden, statt hässlicher und klebriger Richtungspfeile auf dem Boden einen roten Teppich auslegen. Auch bei den Desinfektionsmitteln gibt es durchaus Alternativen – solche, die in schönen Flaschen kommen und gut duften und nicht nach Krankenhaus aussehen.

Vorschriften nehmen uns immer die Mündigkeit. Überlegen Sie immer, wie Sie als Händler die Vorschriften gestalten können, damit der Kunde seine Mündigkeit behält und sich bei Ihnen als Mensch wohlfühlt.

tischgespraech.de: Sie haben auch über die Maslowsche Pyramide gesprochen. Erklären Sie uns diese bitte? Und was bedeuten die einzelnen Stufen für den Handel?

Stefan Suchanek: Maslow war ein bekannter Psychologe, der in dieser Pyramide die Hierarchie menschlicher Bedürfnissen dargestellt hat. Diese Bedürfnisse kann man in den Handel implementieren, vieles davon passiert unterbewusst. Wenn Sie Kunden zum Beispiel eine kleine Schokolade anbieten, dann ist das ein Trigger auf das tiefe Bedürfnis, unsere Art zu erhalten: Unser Unterbewusstsein schafft eine Beziehung und Vertrauen, das animiert zum Kauf. Versuchen Sie möglichst viele dieser Bedürfnisse ins Geschäft zu integrieren, dann erreichen Sie den Menschen auf einer Ebene, auf der er sich gerne verführen lässt. Das hat auch mit Lebensqualität zu tun: Wir wollen staunen und Freude, wir genießen die Verführung – genau das ist Storytelling.


tischgespraech.de: Nun sind unsere Händler alle arg gebeutelt – erst Lockdown, dann haben sie in Hygienekonzepte investiert, um dann wieder schließen zu müssen. Und jetzt sollen sie schon wieder Geld in die Hand nehmen! Wer Ihre Beispiele sieht, der erkennt zwar ganz schnell den Unterschied und wird die Veränderungen begrüßen – aber dennoch werden sich viele fragen: warum soll ich das tun? Welche Antwort haben Sie darauf?

Stefan Suchanek: Gerade jetzt hat ein unheimlicher Umbruch stattgefunden. Der Handel funktioniert nicht mehr wie bisher. Nicht mehr „Geiz ist Geil“, sondern Begriffe wie Nachhaltigkeit, Sinnhaftigkeit und Gesundheit spielen eine große Rolle. Wir erfahren gerade, dass alles begrenzt, alles endlich ist. Wir sehen unsere Grenzen. Anlass genug für den Handel, etwas zu ändern. Die Punkte Nachhaltigkeit, Ökologie und Second Hand wie auch Sicherheit und soziale Verantwortung werden zentral.


Die junge Generation achtet bereits sehr kritisch darauf und der Handel muss sich darauf vorbereiten. Zum Beispiel diese Werte so umzusetzen, dass man gemeinsam Projekte angeht. Auch Secondhand mit aufnimmt. Und vor allem eine Begegnungsstätte schafft, denn die Sehnsucht nach sozioemotionalen Begegnungen wird durch die Pandemie verstärkt.

tischgespraech.de: Und welche Beträge muss der Handel investieren, um das zu erreichen? Natürlich abhängig von der Größe des Geschäftes?

Stefan Suchanek: Da habe ich als ein Extrembeispiel eine jungen Optikerin, die null Budget mehr hatte. Wir haben die Leuchten in ihrem Geschäft neu eingestellt, selbst gestrichen und die Ware nach Motto neu dekoriert und sortiert. Es fiel nur mein Beraterhonorar an. Durch all diese Maßnahmen hat sich die Attraktivität des Geschäftes enorm verbessert. Es gilt immer, die menschlichen Bedürfnisse zu berücksichtigen. Das ist für den Ladenbau noch eine relativ junge Theorie. Hat man das immer im Blick, dann schafft man mit wenig Aufwand eine Verbesserung.


tischgespraech.de: Wie ist denn das Feedback aus dem Handel? Nachdem das Fresh up durchgeführt wurde ...

Stefan Suchanek: Das verfolge ich natürlich aufmerksam. Die Rückmeldungen sind interessant. So habe ich zum Beispiel für Fleurop Geschäfte beraten, die nach dem Fresh up ihren Umsatz um bis zu 50 % steigern konnten. In der Regel liegt das Umsatzplus zwischen 20 und 30 %.


tischgespraech.de: Wer sind denn Ihre Auftraggeber? Sind das eher große Geschäfte oder zieht sich das querbeet durch den Handel? Planen Sie auch komplette Shop-Konzepte?

Stefan Suchanek: Das geht wirklich querbeet durch den Handel. Zu meinen Kunden zählt zum Beispiel Rodenstock mit seinen vielen Partnergeschäften, Fleurop oder Ferrero sind auch dabei. Für letztere habe ich die Kühltheken optimiert und den Abverkauf von Milchschnitte und Kinder-Pingui verbessert. Auch die Haushaltswarenkette Kodi zählt dazu, sie hat in Nord-West-Deutschland ca. 200 Geschäfte. Ergebnis der Strategie ist, dass sie jetzt wieder in kleinere Innenstädte zurückkehren und Tante-Emma-ähnliche Geschäfte umsetzen, in denen die Ware in fünf übersichtliche Kategorien eingeteilt ist. Das funktioniert sehr gut – auch hier wieder nach dem Motto: Der Mensch mit seinen Bedürfnissen steht im Mittelpunkt.

tischgespraech.de: Und jetzt wollen wir natürlich noch wissen, auf welches Projekt Sie besonders stolz sind.

Stefan Suchanek: Ich bin auf alle stolz, auf eines aber ganz besonders. Das ist Floristik & Ambiente Meyer in Sinzig. Trotz der durch die Pandemie erschwerten Umbau- und Öffnungsbedingungen hat der Inhaber Jürgen Meyer aufgrund der Maßnahmen ein gutes Plus gemacht. Es freut mich immer, wenn meine Kunden bestätigen, dass es funktioniert, die Mitarbeiter und vor allem die Kunden zufrieden sind!


tischgespraech.de: Herr Suchanek, vielen Dank für das Gespräch!





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