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  • AutorenbildHartmut Kamphausen

Offline kann von online lernen

Aktualisiert: 23. Feb. 2019

- CATEGORY: KONZEPTE -


 

Aus dem Projekt, einen Onlineshop aufzubauen und 192 Jahre stationäre Kompetenz ins Internet zu bringen, entwickelt sich für Thomas Grimme die Übernahme des Traditionshauses Bley in Cloppenburg, dann in der 6. Generation. Spannend findet er dabei, wie viel die beiden Handelsformen voneinander lernen können.



Am Anfang steht die Anfrage seines Vaters, sich „doch einmal etwas um das Internet zu kümmern“. Thomas Grimme, den Studienabschluss in der Tasche, tief verwurzelt in der deutschen Hauptstadt und irgendwie internetaffin, wurde im Familienkreis ein wenig auserkoren, sich des „Neulandes“ anzunehmen. Unter der Prämisse, dass er frei schalten und walten kann, startet Anfang April 2013 www.bleywaren.de als reiner Onliner.


Die eindeutige Trennung des Traditionshauses in Cloppenburg und des Onlinehandels ist für den Anfang die richtige Entscheidung. „Ein Onlinegeschäft aufzubauen, ist gleichzusetzen mit dem Aufbau einer neuen Filiale - auch im Hinblick auf die Kosten“, beschreibt Thomas Grimme den Aufwand. Und es ist einfach anders: andere Kundenansprache, andere Zielgruppen, anderes Sortiment. Auf der stationären Ladenfläche findet sich ein Sortiment von etwa 50.000 Artikeln, im Onlineshop von etwa 3.500 - mit deutlich unterschiedlichen Produkten. Im Geschäft kaufen Stammkunden aus Cloppenburg und Umgebung ein, in den Onlineshop kommen viele Kunden aus einem urbanen Umfeld, aus Süddeutschland oder über die Grenzen Deutschlands hinaus.


Das Traditionshaus in Cloppenburg. Fotos: Grimme

Dass das traditionsreiche stationäre Geschäft ein Schatz in Sachen Kontakte zur Industrie und Sortiments-Know-how ist, erkennt Thomas Grimme schnell. Dass aber der Onliner auch viele positive Effekte auf das stationäre Geschäft hat, erkannte man dort erst so nach und nach. Vor allem in Sachen Warenwirtschaft und der damit verbunden Verfügbarkeitsinformation sowie dem teilweise automatisierten Bestellprozess sind die Fortschritte inzwischen gut sichtbar. Das führt selbstverständlich auch zu einer insgesamt verbesserten Prozessabwicklung.


Wichtiger Faktor: Sortiment


Beim Sortiment setzt Grimme online auf eine Mischung aus bekannten Marken und Exoten. „Es wird viel nach Markenprodukten gesucht, deshalb darf man diese nicht außen vorlassen. Sie sind wichtig, um gefunden zu werden“, kommentiert er die Zusammenstellung. Bei den Produkten von noch nicht bekannten Marken kommt ihm die Akribie zugute: Alle Bilder, die im Onlineshop eingestellt werden, sind betitelt. Dadurch können die Sucher im Netz über die Bildersuche zuerst die Produkte und dann den Shop finden. „Wir haben hier beispielsweise mit Betonuhren aus Berlin oder Lampen mit textilen Kabeln vor Jahren schon gute Erfahrungen gemacht, Produkte auch ohne Markenbekanntheit verkaufen zu können.“ Nach Grimmes Einschätzung zeichnet es sich ein wenig ab, dass die unbekannten Marken für einen kleinen Onliner in Zukunft wichtiger werden, da sie den Unterschied zu anderen Shops ausmachen.


Ein weiterer Unterschied zum Sortiment im Cloppenburger Traditionshaus: Bei bleywaren.de fehlt das Einstiegssortiment. „Ein Produkt mit allen Informationen einzustellen, bedeutet einen Aufwand von etwa 15 Minuten. Das ist ein Kostenfaktor, der über das Produkt zu erwirtschaften sein muss“, erläutert Thomas Grimme.


Stationäre Tugenden online transportieren


„Heute kann ich einschätzen, dass wir ein wenig naiv an den Aufbau des Onlineshops herangegangen sind“, berichtet Thomas Grimme, „aber ich hatte einen entscheidenen Vorteil: Ich war selber Onlinekäufer.“ Das Denken aus der Sicht des Kunden ist eine Konstante bei bleywaren.de und hat auch immer mehr Einzug in das stationäre Geschäft in Cloppenburg gehalten. Win-win auf zahlreichen Ebenen.


Trotz der Unabhängigkeit der beiden Vertriebsschienen wollte Thomas Grimme positive Elemente des stationären Geschäftes in sein Onlinegeschäft übertragen. Ein wichtiges Element davon ist der direkte Kontakt zum Kunden. „Das ist im Internet schwierig“, beschreibt Grimme die Problemstellung, denn nach wie vor herrsche online eine klare Orientierung, die sich auf die drei Begriffe Preis, Qualität und Tempo reduzieren lässt. Den Versuch, ein Stück Persönliches in das Onlinegeschäft zu integrieren, honorieren die Kunden in den meisten Fällen: „Wir haben eine Stammkundenquote, die gut über dem Durchschnitt von Onlineshops liegt“, so Grimme. Die einzelnen Maßnahmen vom handgeschriebenen Gruß bis zum Give away sind dabei nicht skalierbar und machen dadurch den Unterschied zu den großen Onlinern. Grimme: „Die Marketingkosten im Internet sind inzwischen sehr hoch, deshalb ist es umso wichtiger, in diesem hart umkämpften Markt die Kunden an sich zu binden.“ Dabei ist die Pflege der Kundendaten ein nicht ganz unwichtiger Punkt. Genau das zeigt sich immer mehr auch im stationären Bereich: Seit etwa anderthalb Jahren gibt es bei Bley eine Kundenkarte, um die inzwischen 3.500 Kunden, die eine solche Karte haben, effizienter anzusprechen.


Der Onlineshop schreibt inzwischen schwarze Zahlen und setzt mit vier Prozent des Sortiments 30 Prozent des Umsatzes auf den stationären Umsatz drauf. Aus dem Projekt „online“ ist mit der Umsetzung die Aufgabe entstanden, zwei Handelskanäle in einen Kopf zu bringen. „Ich versuche, oft in Großstädten unterwegs zu sein, um dort Trends und neue Produkte aufzuspüren, die ich dann in den Onlineshop aufnehme und mit einem leichten zeitlichen Versatz nach Cloppenburg hole“, berichtet Thomas Grimme mit leichtem Augenzwinkern. Win-win also auch hier.


www.bleywaren.de


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