top of page
  • AutorenbildChristine Dicker

Sehnsuchtsort Handel

- KONZEPTE -

 

„Die Zukunft des Stationären Handels – alles was kommen wird, ist schon erkennbar.“ Das sagt der Handelsexperte Uwe U. Klimach. Auch wir von tischgespraech.de sehnen uns - wie alle Menschen - wieder nach realen Begegnungen. Die bietet uns der stationäre Handel. Klimach schreibt dazu:


„Viele von uns lernen in diesen Zeiten etwas kennen, was wir sonst im Alltag eher seltener erleben: Gemeinsamkeiten mit der Familie, am Esstisch sitzen, frühstücken, essen oder miteinander spielen oder einfach nur reden. Das gute Zuhause als „Identitätsort“. In einigen Monaten mag sich der ein oder andere vielleicht sogar nach solchen Momenten zurücksehnen. Ich möchte mich mit meiner Wochenpost diesmal genau mit besonderen Orten, DEN Identitätsorten mit Sehnsuchtspotential (!) beschäftigen.


Dazu folgender kleiner Rückblick: „Können Sie mir bitte einen Grund nennen, warum ich bei Ihnen kaufen soll?“ Ich erinnere mich noch sehr genau an den Moment, als ich diese Frage vor ca. zwei Jahren der Geschäftsführung eines großen Handelsunternehmens gestellt habe. Ich gebe zu, die Frage kann u.U. auch provokant wirken, war und ist aber von mir durchaus nicht beabsichtigt. Im Gegenteil: Ich suche ja diese „Besonderheiten“, „Magic Moments“ und bin ja genau dazu da, diese mit meinen Mandanten herauszustellen bzw. zu entwickeln und klar zu positionieren. Die Geschäftsführung konnte mir spontan keine Antwort geben; und auch die so selbstredenden Antworten, mit denen ich offen gesprochen gerechnet habe, (WIR haben den besten Preis, WIR haben die größte Auswahl, WIR sind die größten, WIR sind seit Generationen…usw.), blieben aus.


Ich bin überrascht, wie viele Unternehmen und Unternehmer genau auf diese Kernfrage auch heute so gut wie keine kundenrelevanten Antworten haben. Wir wissen doch alle aus der Marktforschung, dass z.B. der Preis oder Auswahl nicht allein entscheidend sind. Die Trendforschung beschäftigt sich genau jetzt mit diesen relevanten Themen: Von Nachhaltigkeit-Bio-Regional und Erlebnisshopping zum Identitätsmanagement.


Magic Moments – Magic Places!


Sven Gábor Jánszky vom Zukunftsinstitut „2b AHEAD ThinkTank“ beschreibt in seiner Studie „Die Zukunft des Stationären Handels…auf dem Weg zu IdentitätsOrten“, dass Kunden nicht zu den erfolgreichen stationären Händlern gehen, um Erlebnisse zu haben, sondern auch, um ihre Identität auszudrücken.


Es gibt keine klassische „Kundenpyramide“ mehr nach Economy – Standard – Premium, die einem Trend folgt. Sie erinnern sich noch an die klassische Supermarkt-Denke? Unten breit/Discount und oben Premium und in der Mitte der große Standardbereich. Der Bereich, in dem die meisten stationären Händler, Kaufhäuser und Supermärkte ihr Geschäft gemacht haben! Jánszky von 2bAHEAD nennt es Identitäten, ich nenne es Magic Places mit Magic Moments.


Grafik: 2bAHEAD, Leipzig

Kunden gehen nicht nur zu ihren Lieblingshändlern – ja vielleicht sind auch SIE gemeint – um Erlebnisse zu haben, sie werden zu Ihnen gehen, um ihre Identität auszudrücken. Damit meine ich, dass Kunden besonders sind!!! Besonders sportlich, besonders heimatverbunden, trendbewusst, designorientiert, modisch, kulturinteressiert, okö, vermögend, kosmopolitisch, bodenständig, kreativ, familienorientiert… usw. Schaut man sich die Kundenstruktur von z.B. BIO-Supermärkten an, stellen wir fest, dass mehr als 90 % der Kunden nicht dort kaufen, weil sie überzeugt sind, bessere Produkte zu bekommen. Sie möchten vielmehr zur „Bio-Community“ gehören, um sich deutlich in ihrem Umfeld zu positionieren. Das ist aktives Identitätsmanagement.


Diese Zugehörigkeit zu Gruppen (und damit auch Abgrenzung zu anderen Gruppen) ist wohl auch eines der persönlichsten Bedürfnisse und wird durch Digitalisierung nicht verschwinden. Liebe Leserinnen und Leser, Sie warten an dieser Stelle bestimmt auf meine Beispiele aus der Gastronomie, richtig? Hier kommen sie: Wir haben doch alle unseren Lieblingsitaliener, nicht wegen der günstigen Pasta und nicht wegen der größten Auswahl an Pizzen und wohl kaum wegen „all you can eat“. Und auch bei unserem Lieblingsbäcker und Metzger und Winzer möchten wir doch dazugehören und die Familie unseres Lieblingshotels kennen wir sehr wahrscheinlich persönlich.


Wir empfehlen sie, wir folgen ihnen auch in den Social Media Kanälen und identifizieren uns mit dem, was sie tun. Denken Sie hier als Händler mal mehr aus der Perspektive eines guten Gastgebers! Die Süddeutsche Zeitung schreibt in der Wochenendausgabe in ihrem Essay vom „Hunger auf mehr“: Die Krise wird unsere Ernährung und auch die Debatte über Landwirtschaft verändern. Das Ritual des Essens gewinnt wieder an Bedeutung. Statt schnell noch beim Bäcker Kaffee und Brezen für unterwegs zu holen, denken viele von uns schon beim Frühstück drüber nach, was es zum Mittag oder Abend geben soll. Wir wälzen in Kochbüchern, durchstöbern das Internet und entdecken die Lust am Kochen und Backen. In Zeiten des Hefe-Notstands erwacht der Selbstversorgerinstinkt und so mancher setzt sich an seinen Ofen und schaut zu, wie der Teig aufgeht.


In Corona Zeiten ist Erstaunliches möglich


Die Ausgangssperren werden hoffentlich bald Geschichte sein. Was aber bleibt, ist die Erinnerung an eine Zeit, in der nichts mehr selbstverständlich schien, nicht einmal das Mehl zum Brotbacken. Das verstörende Erlebnis, wie dieses, wird einiges in Bewegung setzen. Ich bin überzeugt, dass es hilft, den Umgang mit Lebensmitteln und die eigene Wertschätzung dafür zu hinterfragen und zu verändern. Wer viel Geld für ein Smartphone ausgibt, sollte beim Schnitzel nicht feilschen.


Die niederländische Grande Dame der Trendforschung Li Edelkoort beschreibt in ihrer Studie „Green Waves“ die Trends für 2021. „Die Menschen möchten sich wieder viel enger verbinden, das Wohnen mit Pflanzen, der Genuss von Gemüse, Selbstangebauten und Selbstgemachten und auch das Spazierengehen im Wald inklusive „Bäume umarmen und Pflanzen berühren“ sind Balsam für Körper und Seele. Die Menschen möchten innere Kräfte für Veränderungen freisetzen, um genau das zu erhalten und zu reparieren, wonach wir uns jetzt nach der Krise mehr denn je sehnen: einen Ausgleich zu der Flut und Reizen dieser Welt. Bereits jetzt spüren wir den Wandel unserer Gesellschaft, den achtsameren Umgang mit uns selbst, unseren Mitmenschen und Ressourcen.“


Das Epizentrum werden die Küche und die Natur sein. Seit Jahren wächst das Interesse an gesunden Lebensmitteln und neuen Formen der Zubereitung. Während die Welt immer schneller und komplexer um uns herum wird, entschleunigen wir auf der Suche nach alten Rezepten, beim Schmoren, Grillen, Räuchern und Einmachen. Spitzenköche sind gleichzeitig Gärtner. Einflüsse aus anderen Ländern bringen multikulturelle Aromen auf den Teller. Also Essen und Wohnen als Lebensgefühl – über das Zubereiten bis zum Anrichten und Servieren zum Lifestyle und Dekorieren.


Auch Antje von Dewitz, Chefin des Outdoor-Spezialisten Vaude berichtet in der Textilwirtschaft: „Wir werden mehr“. Wenn sie von „wir“ spricht, meint sie Verbraucher, die bewusst leben und konsumieren wollen. Vaude konnte in den letzten Jahren den Umsatz mehr als verdoppeln. Li Edelkoort sprach gerade in einem Interview zu Corona und den Folgen für die Modeindustrie von einer „Quarantäne des Konsums“. Wir alle dürfen anhalten und über Bord werfen, was unnötig ist und umarmen, was man wirklich brauche. Es ist eine Chance für den Handel, die Industrie, für uns Menschen und für den Planeten Erde. „Wir können jetzt eine leere Seite aufschlagen und neu beginnen.“, so Li Edelkoort.


Die italienische Vogue zeigt auf dem aktuellen Mai-Cover, wie das aussehen könnte. Allein Schriftzug und Monat sind dort abgedruckt. Ansonsten ist der Titel weiß. Sehen wir auch gemeinsam die Krise als einzigartige Chance, uns neu aufzustellen „altes überflüssiges“ über Bord zu werfen.

Konnten Sie die Fragen, die ich Ihnen bereits mit meiner Post gestellt habe, für sich und Ihr Unternehmen beantworten?

• Warum soll ich als Kunde bei Ihnen kaufen?

• Was macht Sie und Ihr Unternehmen so besonders?

• Warum ist es cool, Kunde bei Ihnen zu sein?

• Was sagt die Community über Ihr Unternehmen?


Ich schaue mit viel Optimismus in die Zukunft. Nach Angaben der Deutschen Bundesbank summierte sich das Geldvermögen der privaten Haushalte in Deutschland in Form von Bargeld, Wertpapieren und Bankeinlagen zum Ende 2019 auf den Rekordwert von rund 6458 Milliarden EURO! Worauf warten wir? Jetzt ist Handel(n) gefordert!" Uwe U. Klimach

0 Kommentare
bottom of page