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AutorenbildChristine Dicker

Wohntrends 2023: Zwischen Radikalität und Gemütlichkeit

Aktualisiert: 2. Aug. 2023

- TRENDS -

 

Gastbeitrag von Oona Horx Strathern, Autorin des HomeReports 2023:

Wohntrends entstehen nicht im luftleeren Raum, sondern entwickeln sich dynamisch im Zusammenspiel mit den durch das Zukunftsinstitut identifizierten Megatrends. Viele Trends haben sich in den letzten Jahren gewandelt – insbesondere innerhalb der Megatrends Konnektivität, Neo-Ökologie, New Work und Urbanisierung. So wie sich unsere Wohn- und Arbeitsumgebungen an diese Shifts anpassen, passen auch wir Menschen uns daran an und setzen uns für eine menschlichere, fürsorgliche und rücksichtsvollere Zukunft ein.

Der Spa-throom

Das Badezimmer ist aus seinem Dornröschenschlaf erwacht – und bietet viel mehr als den sterilen, gefliesten Raum, in dem die Menschen zu Lebzeiten des Schriftstellers Evelyn Waugh lediglich ihre Grundbedürfnisse befriedigt haben. Auch oder gerade in Krisenzeiten repräsentiert das Bad einen Ort des Wohlfühlens und Sich-Verwöhnens. Deshalb haben wir heute nicht einfach nur ein Badezimmer, sondern einen Spa-throom – ein Bad mit dem Charakter, den Gestaltungselementen und der Atmosphäre eines Spas. Der Spa-throom erinnert uns an vergangene Zeiten, als es in noblen Häusern oft ein Boudoir gab, das von dem französischen Wort „boudoir“ für „schmollen“ stammt: einen kleinen, elegant eingerichteten Raum für Privates, in den sich die Dame des Hauses zurückziehen konnte, um sich von den Strapazen des Alltags zu erholen. Seine heutige Entsprechung finden wir auch im Trend zum Cocooning, dem Rückzug ins Private.


Das Spannungsfeld zwischen smart und schön, praktisch und gemütlich wird sich in der Entwicklung des Spa-throoms noch verstärken. Der Trend zur „Spa-fizierung“ des Badezimmers setzt sich fort, wobei intelligente Technologien gegenüber Komfort und Behaglichkeit eine untergeordnete Rolle spielen. Luxus wird neu definiert – Lebensqualität, Sinn und Nachhaltigkeit entwickeln sich zu leitenden Werten bei Design, Einrichtung und der Nutzung des Badezimmers. Auch vor dem Hintergrund akuter Krisen und der Klimakatastrophe gilt im Spa-throom: Weniger ist mehr. Nach den Prinzipien eines minimalistischen Designs werden die Funktionen und Produkte – von Regen- und Dampfduschen bis zu Infrarotkabinen, Saunen oder Fitnessstudioelementen – sinnvoll im Spa-throom integriert. Auch Duft-, Licht- und Klang-Funktionen werden auf der Suche nach dem ultimativen Badezimmererlebnis immer wichtiger.

2023 wandeln sich auch die Materialien. Herausragendes Design mit radikalen Materialien ist der Schlüssel für den noch zurückhaltenden Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit in der Interior-Design-Branche. Materialien aus ungewöhnlichen Quellen wecken Neugier, erkunden neue Potenziale und setzen notwendige Impulse für Unternehmen, Verbraucher und Verbraucherinnen. Es braucht radikalere Materialinnovationen, um der Ressourcenausbeutung des Planeten zu trotzen.


Um nachhaltig, individuell, unkonventionell oder auch nur interessanter zu wirken und aus der Menge herauszustechen, greifen Designerinnen und Designer, Architektinnen und Innenarchitekten bisweilen auf ungewöhnliche Ressourcen zurück. So werden Materialien erschaffen, an die bis dato noch niemand gedacht hat, oder aus der Mode gekommene Materialien wiederbelebt, wie beispielsweise Kiefernholz oder auch Knochen. Der Vorteil: Es werden neue Narrative gesponnen. Narrative, die Menschen auf aufregende Art mit einem Möbelstück, Raum oder Ort verbinden, Austausch anregen oder Erinnerungen wachrufen.

Radical Materials liefern neue Impulse für die Interior-Design-Branche, um sich im Kampf gegen die Klimakrise zu engagieren. Packende und transformative Narrative über ungewöhnliche Materialien und Materialquellen sind gefragt, um Verbraucherinnen optimistisch in die Zukunft blicken zu lassen und Unternehmen für neues Design zu begeistern. Welche Rolle die Welle radikaler Materialien künftig tatsächlich im Kampf gegen den Klimawandel spielt, wird sich zeigen. Fakt ist: Pioniere setzen mit ihrem Engagement und ihren genialen Ideen für neues, radikales Design schon jetzt ein Zeichen für eine ressourcenschonendere Gestaltung von Wohnräumen in der Zukunft.


Conscious Kitchen


Die funktionale Küche wird im kommenden Jahr zur Conscious Kitchen – die bewusste, achtsame Küche – das ist kein typischer Trendbegriff. Wenn wir von Bewusstsein sprechen, meinen wir meist, dass Menschen ihre Umgebung bewusst wahrnehmen und darauf reagieren. Und genauso wie es einige Menschen gibt, die einen bewussteren Lebensstil haben als andere, könnte man sich vorstellen, dass es sowohl „achtsame“ als auch „weniger achtsame“ Küchen und Kücheneinrichtungen gibt. Unbewusste Küchen sind nicht funktional, passen nicht zu einem gesunden, modernen Lebensstil und können die Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner oft nicht erfüllen – im übertragenen Sinne würde einer solchen Küche wahrscheinlich regelmäßiges Meditieren oder eine Therapiesitzung helfen. Eine bewusste, achtsame Küche dagegen passt sich an unseren Lebensstil und unsere Ernährungsbedürfnisse an und kann auch eine Krise gut überstehen. Die Rolle der Küche als zentraler Ort des Zusammenkommens wurde durch die Corona-Krise gestärkt. Das wird auch an den steigenden Investitionen in der Küchenbranche sichtbar: Mit einer Umsatzsteigerung von 4,5 Prozent ist die Küchenmöbelindustrie Spitzenreiter der Branche (vgl. Statistisches Bundesamt 2021).

Die Küche als Ganzes entwickelt sich weiter. Sie stellt sich darauf ein, dass mehr Menschen für sich selbst kochen, neue Gerichte ausprobieren und sich Zeit nehmen, gemeinsam zu essen. Nachhaltige Materialien gewinnen zunehmend an Bedeutung, da wir uns der Inhaltsstoffe unserer Nahrungsmittel und der uns umgebenden Materialien bewusster werden. Weder möchten Menschen heute eine reine Statusküche, noch geben sie sich mit einer Mikrowelle als Küchenersatz zufrieden: Es gibt einen wachsenden Trend zu mehr funktionaler Vertrautheit und Authentizität im Küchendesign. Die Küche spielt also weiterhin eine wichtige Rolle im Theater des Lebens, aber weniger als Bühne, sondern eher als „Werkstatt“ für mehr Lebensqualität, die unsere neuen, durch Work-Life-Blending hervorgerufenen Bedürfnisse optimal unterstützt.







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