- HINTERGRUND -
Es gibt Verbandstage, zu denen fährt man richtig gerne. Weil man sich auf die Menschen freut, die man dort trifft, die Location stimmt, die Vorträge spannend sind und man auch noch jede Menge Spaß haben kann. Die Rede ist von den Verbandstagen des EVL. Die fanden dieses Jahr am 1. und am 2. Juni in Isny im Allgäu statt und haben gezeigt: Gemeinsam ist man stärker!
Das Motto lautete Think Different, und das heißt nicht mehr und nicht weniger als mal das andere zu denken. Aber der Reihe nach… Erst einmal geht es über schmale Bergstraßen in die Höhe, zum Jägerhof. In dem Hotel halten wir uns die nächsten Tage auf. Genießen den spektakulären Blick auf die Berge, die Ruhe und das tolle Ambiente. Getagt wird im benachbarten Stadel. Bevor sich die knapp 90 Teilnehmer dorthin zu Fuß aufmachen, begrüßt der Vorstandsvorsitzende Lars Adler die Runde. Und dann geht es auch schon los: Axel Gottstein führt wie immer launig und vor allem sehr klug in das Tagungsthema ein. Think different, ein Motto, das Steve Jobs für Apple geprägt hat, heißt ganz einfach, denke das andere.
„Wir wollen inspirieren, Dinge anders zeigen“, so Gottstein. Und das sei auch deshalb nötig, weil sich da draußen gerade viel tut. Die Konsumenten haben kein Geld, kein Vertrauen und keine Lust. Das verändere die Märkte. „Wir müssen raus aus unserer Komfortzone, nur so werden wir neue Lösungen finden,“ bringt es der Inhaber von sigikid auf den Punkt. „Wir können euch die Rucksäcke mitgeben, laufen und wandern muss jeder selbst“.
In die Rucksäcke passt so allerhand rein, zum Beispiel das Thema Vertrieb. Der Vertriebsexperte Jens Löser zeigte noch einmal auf, was eigentlich jeder weiß, was aber manchmal im Tagesgeschäft zu kurz kommt: Menschen kaufen von Menschen. Das heißt, die Ansprache muss passen. Und Vertrieb sollte immer Priorität haben! Wie häufig stellt man gerade die Neukundenakquise hintenan, das darf nicht sein, mahnte Löser. Und: Gute Ergebnisse bedeuten nicht automatisch, dass der Vertrieb gut arbeitet. Alles Basics, die jeder kennt, die man sich aber immer wieder ins Gedächtnis rufen sollte. Also, ein Tool, was unbedingt in den Rucksack gehört.
Auch Mitarbeiter gehören da rein, die richtigen sollen es sein. Wie aber kann man die gewinnen und halten? Ein Thema, das viele beschäftigt. Marco Marino, Anders-Denker und Personal-Recruiter, nannte seinen Vortrag „Menschen fangen – die Herausforderung Mitarbeiter anders zu gewinnen.“ Auch er betonte: „Alles, was ihr wissen müsst, das wisst ihr.“ Und weil der Mensch am besten über die eigene Erfahrung lernt, gab es viel Interaktion. Marco Marino zeigte, dass man das Thema Mitarbeitergewinnung auch einmal ganz anders angehen kann. Mit Spass und Freude eben. Sein Fazit: „Wir können euch dabei begleiten, Eure Ideen umzusetzen.“ Übrigens, die Teamarbeit dieses Vortrags hat ganz nebenbei dazu beigetragen, die anderen Tagungsteilnehmer noch ein wenig besser kennenzulernen.
Was muss noch rein, in den Rucksack? Ein ganz schweres Thema, sozusagen das Sicherungsseil: Die Cybersicherheit. „Ein ungeliebtes Thema anders gedacht“, hat Christian Bubenheim, IT-Forensiker und Theaterwissenschaftler, seinen Vortrag genannt. Er gab Antworten auf die Fragen „Was muss ich tun, um nicht erpressbar zu sein?“ „Wie kann ich Cybersicherheit anders denken?“, „Wie reagiere ich, wenn etwas passiert?“. Ein komplexes Thema, das sicherlich den ein oder anderen im Anschluss animiert hat, sich die eigene IT genauer anzusehen.
Bereits Tradition bei den EVL-Verbandstagen haben die Auftritte der Messe Frankfurt. Philipp Ferger, Stephan Kurzawski, Eva Olbrich und Yvonne Engelmann sprachen über die Home of Consumer Goods 2024. „Messe Frankfurt – der Monolith steht wieder?“ Lautete die Headline. Und diese Frage lässt sich mit einem klaren Ja beantworten. Wie auch die Zahlen der Home of Consumer Goods 2023 bewiesen.
Weil sich das Konzept bestätigt hat, wird es auch 2024 so bleiben, mit ein paar Änderungen, die den gestiegenen Ausstellerzahlen geschuldet sind. Wie Yvonne Engelmann ausführte, gebe es eine hohe Rückkehrerquote. Daher werde man die Hallen verdichten, Gänge schmäler machen, Ruhezonen reduzieren. All das, um Aussteller und Marken, die 2023 ausgesetzt haben, zu integrieren. Voll wird es also in Frankfurt, darum werden die Stände nicht größer, Vielfalt geht vor Fläche.
Der Nachmittag schreitet voran, der Rucksack für diesen Tag ist fast voll. Rechtsanwalt Thomas Kerkhoff hat aber noch ein anspruchsvolles Thema dabei: Nachhaltigkeitsberichterstattung lautet es. Für viele bestehe aktuell noch kein Handlungsbedarf, beruhigt er, aber, man könne sich durch interne Dokumentation durchaus schon vorbereiten.
Der offizielle Teil des ersten Tages ist vorbei. Er war dicht gepackt mit Informationen – nicht nur die Rucksäcke, auch die Köpfe sind voll. Ab jetzt heißt es: Entspannen bei Gesprächen mit den Kollegen auf der Terrasse des Jägerhofes mit Blick auf die Berge. Man kennt sich, man mag sich. Und den ein oder anderen lernt man noch besser kennen – es bilden sich immer neue Gesprächsrunden, jeder ist offen für neue Kontakte. Das macht es auch neuen Mitgliedern oder Mitgliedern, die das erste Mal an den Verbandstagen teilnehmen, sehr leicht, sich wohlzufühlen. Sie werden schnell in die Gemeinschaft des EVL aufgenommen.
Tag 2 startet wie gewohnt mit der Mitgliederversammlung. Der Vorstand, die Geschäftsführung, der Kassenwart werden entlastet. Business as usual…
Doch dann geht es mit einem Highlight weiter: Angelika Gifford, Vize President EMEA bei Meta, spricht zum Thema „Metaverse – Zukunft anders denken“. Gifford klärt erst einmal auf, dass das Metaverse kein Produkt von Meta sei, das gebe es auch von Apple und anderen. Und, beruhigt sie die Zuhörenden, erst in den nächsten 10 bis 15 Jahren wird das Thema in unserem Alltag angekommen sein. Es ist also akktuell noch ein Zukunftsvision.
Was aber genau ist dieses Metaverse? „Es ist die Interaktion von jungen Menschen in einer virtuellen Welt,“ so Angelika Gifford. In etwa fünf Jahren werde es die ersten skalierbaren Ideen geben, vorher nicht. Auch sei das Metaverse kein Ersatz für die persönliche Interaktion, sondern immer additiv zu sehen. „Wir brauchen den persönlichen Kontakt,“ Gifford weiter, „Man steht nicht vor dem Internet, man ist mitten drin.“
Auf drei Lebensbereiche werde sich das Metaverse ganz besonders auswirken:
Erstens auf die Geschäftswelt. In den nächsten zehn Jahren werde es rund eine Milliarde Menschen erreichen, es werden Milliarden von digitalen Produkten generiert. Also zum Beispiel eine Tasche von Prada, die es aber nur digital geben werde.
Zweitens auf den Bildungsbereich: Dadurch werde immersives und 3D-Lernen möglich, man könne zum Beispiel durch das Metaverse die Meereswelt digital erleben. Gerade für arme Länder sei das laut Gifford eine große Chance. Aber dafür werden auch erschwingliche Brillen und die entsprechende Infrastruktur benötigt. Warum Brillen? Die setzt man auf und taucht dann in die digitale Welt ab...
Drittens im Arbeitsalltag: Man können zum Beispiel virtuelle Räume schaffen, in denen die Mitarbeiter gemeinsam an einem Projekt arbeiten.
Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Metaverse werden, so Gifford weiter, nicht unerheblich sein. Schätzungen gehen von 440 Mrd Euro allein für Europa aus, dieses Business werde viele neue Firmen anziehen.
Was nun genau ist Metas Rolle im Metaverse? Das Unternehmen werde zum einen die Hardware zur Verfügung stellen, wie zum Beispiel die Headsets, wie auch die Software, also die digitalen Räume, in denen sich die Konsumierenden dann bewegen. Übrigens komme der momentan so stark gehypten KI im Metaverse eine große Rolle zu: Die ermögliche es, im Metaverse schnell und kostengünstig Dinge umzusetzen. „Metaverse wird die Art und Weise, wie wir leben, verändern,“ fasst Gifford zusammen. Viele Marken erforschen bereits das Potential, loten aus, was geht. Ein klasse Vortrag – da sind sich alle einig. Der vor allem vielen sehr gut erklärt hat, worum es bei Metaverse eigentlich geht.
„Zukunft Deutschland – zwischen Werten, Narrativen und nationalem Interesse“ lautete das Thema, von Ralf Schuster, geopolitischer Experte. Ein Vortrag, dem alle gebannt zuhörten, von dem man sich wünschte, dass er nicht enden sollte. „Geopolitik ist auch eine Frage der Wahrnehmung. Unsere Sozialisierung bestimmt wie wir die Welt sehen,“ so Schuster. Er sprach über die Grundlagen der Geopolitik für die Unternehmensstartegie, das Dilemma der geographischen Lage Europas, die neue NATO Ostflanke und ihre Auswirkungen auf globale Auswirkungen auf globale Lieferwege und die Energie- und Rohstoffversorgung. Und noch viel mehr, ein beeindruckender Vortrag über die geopolitischen Zusammenhänge, der dazu ermutigt, sich noch umfassender zu informieren.
Die beiden Vorträge am Freitag waren ganz klare Highlights – man hat nicht oft Gelegenheit, solche hochklassigen Redner zu hören. Und dann war der offizielle Teil der Verbandstage vorbei – die meisten sind aber noch geblieben. Der eine oder andere packte tatsächlich seinen Rucksack, ging wandern oder machte einen Ausflug. Die anderen nahmen am Trommel- und Percussionworkshop mit Helmut Kanderl und Alexander Jacobi teil. Abends dann trafen sich alle wieder im Stadel – diesmal nicht zum Tagen und Arbeiten , sondern zum Feiern, zum Reden, zum Tanzen. Schön war’s! Danke.