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  • AutorenbildChristine Dicker

Handel fordert Öffnungsperspektive

- HINTERGRUND -

 

Die Forderungen nach einer Perspektive für eine Öffnung des Einzelhandels werden immer lauter. Der HDE hat am 8. Februar – zwei Tage vor dem nächsten Corona-Gipfel – ein umfassendes Hygiene-Konzept vorgestellt, das zeigt, wie eine solche Öffnung funktionieren kann. Und eine Perspektive ist für die rund 200.000 betroffenen Einzelhandelsgeschäfte dringend nötig. Auch, um die Benachteiligung gegenüber dem LEH und dessen Verkauf von Non-Food-Sortimenten zu beenden.


Ein Blick zurück: Am 16. Dezember 2020 mussten die meisten Handelsgeschäfte in Deutschland schließen, bis auf die, die systemrelevante Produkte verkaufen. So zum Beispiel der LEH, Drogeriemärkte und Apotheken. Und gerade in den beiden erstgenannten werden auch viele Zusatzartikel – die sogenannten Nonfood-Sortimente - mit verkauft. Eine klare Benachteiligung der Händler, die ausschließlich solche Nonfood-Sortimente verkaufen – wie Haushaltswaren, Spielwaren, Geschenkartikel, Glas, Porzellan, Elektrogeräte – und schließen mussten.


Zwar war in einzelnen Bundesländern, wie in Bayern, geregelt, dass die Nonfood-Sortimente im LEH nicht verkauft werden durften. Dennoch haben viele der großen LEHs diese Anordnung ignoriert. So hat tischgespraech.de in Bamberg in einem Markt festgestellt, dass diese Bereiche für den Endkunden gesperrt waren, in anderen Märkten hingegen waren sie verfügbar. Laut Günter Hölzl, Bezirksgeschäftsführer Oberpfalz/Niederbayern beim Handelsverband Bayern (HBE), fehlte das Personal bei den Ordnungsämtern, um die Einhaltung der Regeln zu kontrollieren. Es wäre Sache der einzelnen Händler gewesen, auf eine Einhaltung zu klagen.


Seit zwei Wochen ist das sowieso in Bayern obsolet, weil das Verwaltungsgericht Augsburg diese Anordnung kippte und verfügte, dass diese Märkte das verkaufen dürfen, was sie schon immer verkauften. Also neben Lebensmittel Töpfe, Pfannen, Elektrokleingeräte und anderes mehr.


Handel meldet sich zu Wort


Der Unmut bei unseren Händler wächst. Christian Krömer, Geschäftsführer von Spielwaren Krömer mit 24 Filialen in Bayern, findet die ganze Situation empörend und postete auf Linkedin: „Monatelang haben wir für einen fairen Wettbewerb gekämpft. Monatelang hat mir jeder politische Entscheidungsträger gesagt, das wird nie wieder so kommen. Im August habe ich an alle Ministerien Briefe geschrieben. Das zuständige Gesundheitsministerium hat mir nur geantwortet, dass sie nicht zuständig seien, sondern das Wirtschaftsministerium. Na ja, auch jetzt liegt die Zuständigkeit wieder beim Gesundheitsministerium, aber da kommt man an niemanden ran. Kein Ministerium schottet sich so ab, wie das Gesundheitsministerium. Sie entscheiden über die Zukunft des bayerischen Fachhandels, geben dem Fachhandel aber nicht mal die Möglichkeit, dass man mit ihnen über dieses Thema sprechen kann. Und in der Landtagssitzung sagte der CSU-Abgeordnete Bernhard Seidenath gestern, dass die CSU ganz klar dagegen ist, dass den Supermärkten und Drogerien die Sortimente begrenzt werden, weil diese aktuell die Versorgung sicherstellen.

Ich bin wirklich fassungslos! Der Fachhandel wird durch diese Maßnahme nachhaltig Kunden verlieren und die großen Handelsketten werden wieder mal subventioniert. Wir müssen schließen, aber in den Drogerien dürfen sich die Kunden geballt tümmeln... Mir braucht niemand mehr damit kommen, wie wichtig der Mittelstand doch ist... „ Krömers Statement findet die Zustimmung vieler Händler, auch die von tischgespraech.de.


Empörend ist diese Haltung auch deswegen, weil aktuelle Umfragen des Handelsverbandes Deutschland (HDE) zeigen, dass zwar knapp mehr als 70 % der vom Lockdown betroffenen Handelsunternehmen staatliche Unterstützung bekommen haben. Diese sind aber deutlich zu niedrig, um das wirtschaftliche Überleben zu sichern. So ergab eine HDE-Umfrage von Ende Januar, dass die Händler 2020 durchschnittlich lediglich 11.000 Euro an Hilfszahlungen bekommen haben. Angesichts dessen fordert der HDE die Bundesregierung auf, die angekündigten Verbesserungen bei den Coronahilfen schnell und konsequent vorzunehmen.


„Die staatlichen Coronahilfen für den Einzelhandel waren im vergangenen Jahr meist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Das reicht in der Regel nicht einmal für die Mietzahlungen in den Lockdown-Monaten“, so HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Deshalb ist es aus Sicht des Handelsverbandes dringend notwendig, dass die Bundesregierung die Hilfsprogramme wie vorgesehen anpasst.


Der HDE fordert dafür unterschiedliche Maßnahmen, u.a. für den gerade von der Krise stark betroffenen Modehandel, aber auch für größere Handelsunternehmen, die mehr als 500 Mio. Jahresumsatz machen. Sie sind bisher von den Hilfen ausgeschlossen. Und auch bei kleineren Einzelhändlern gebe es Nachbesserungsbedarf: Hier ist beispielsweise nach wie vor kein Unternehmerlohn vorgesehen.


Alternative Vertriebswege

Um in der oft existenzbedrohenden Krise wenigstens noch etwas Umsatz zu erzielen, nutzen mehr als 80 % der vom Lockdown betroffenen Händler alternative Vertriebswege. So zeigt eine aktuelle HDE-Umfrage, dass knapp mehr als drei Viertel der Händler per E-Mail oder Telefon für ihre Kunden da sind, 60 % die sozialen Medien bespielen, 36 % mit einem eigenen Online-Shop am Markt sind und knapp ein Viertel Waren über Online-Plattformen und Internet-Marktplätze anbietet. Weitere zehn Prozent sind auf regionalen Online-Marktplätzen aktiv.

Dennoch, all diese alternativen Vertriebswege sind keine langfristige Strategie, können den stationär erzielten Umsatzwegfall nicht ersetzen. So wandte sich der HDE in einem Brief an Wirtschaftsminister Altmaier: „Das situative politische Handeln und Auf-Sicht-Fahren der letzten Monate muss dringend durch ein auch mittel- und langfristig tragfähiges Konzept ersetzt werden. Der Öffnungsstrategie von Bund und Ländern sollte eine klare politische Aussage zugrunde liegen, unter welchen Voraussetzungen basierend auf realistischen und fundierten Indikatoren der Einzelhandel wieder öffnen kann. Wir bieten gerne unsere Expertise zur Erarbeitung einer Öffnungsstrategie an... „


„Auf dem Weg zu einer vollständigen Wiedereröffnung ziehen wir auch ein abgestuftes Vorgehen in Betracht. Dies ist umso notwendiger je länger der pauschale Lockdown andauert und sich die eklatanten Wettbewerbsverzerrungen zwischen stationärem und OnlineHandel sowie innerhalb des Handels mit gemischten Sortimenten zunehmend verschärfen.“


Hygienekonzepte funktionieren


Der Handel hat im vergangenen Jahr viel Geld in die Hand genommen, um die Einhaltung der vorgeschriebenen Hygienekonzepte zu garantieren. So stellt der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Bayern (HBE), Wolfgang Puff, fest: „Einkaufen in Bayern war und ist sicher. Und mit der FFP2-Maske erst recht. Der Handel ist kein Treiber der Corona-Pandemie.“ Und wirft der bayerischen Staatsregierung vor, die vergangenen Monate nicht genutzt zu haben, um den Ausstieg aus den Beschränkungen systematisch vorzubereiten. Einen Fahrplan Richtung Normalität gebe es auch im Freistaat nicht.


Laut HBE darf eine Wiedereröffnung der Geschäfte nicht nur für einzelne Branchen gelten. Das führe zu Wettbewerbsverzerrungen und Rechtsunsicherheiten. Puff: „Ein Textilhändler oder ein Baumarkt kann die Abstands- und Hygieneregeln genauso gut einhalten wie ein Lebensmittelgeschäft.“ Das sture Festhalten an den Beschränkungen für den Handel sei immer weniger nachvollziehbar.



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