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  • AutorenbildHartmut Kamphausen

Der Mix macht die Musik

- EXKLUSIV: HINTERGRUND -

 

Lola Güldenberg beobachtet die Entwicklungen im Handel genauso intensiv wie die im weltweiten Netz. Im Rahmen der Ambiente Academy zeigt sie in ihrem Vortrag unter dem Titel „DIGITAL 2020 – von Technologien, Trends und menschlichen Bedürfnissen“ auf, was der Handel von Social Media bis KI beachten muss und welche Chancen er nutzen kann. Wir sprachen vorab bereits mit der Trendforscherin aus Berlin.

tischgespraech.de: In welchen sozialen Medien muss man als Marke/Händler in 2020 präsent sein?

Güldenberg: Instagram hat Facebook inzwischen definitiv den Rang abgelaufen. Gerade in Sachen Bewegtbild, Insta-Stories genannt, erfindet der Micro-Blog für Fotos und Videos gegenwärtig das Händler-Marketing neu. Zwar gehört er schon seit 2012 zur Facebook-Gruppe, stellt aber ganz klar die Bildbearbeitung und -bereitstellung in den Vordergrund und hat damit sogar das Bildernetzwerk Snapchat überholt. Eine Milliarde monatlich aktive und 500 Mio. täglich aktive Nutzer verzeichnet Instagram inzwischen (Mai 2019), im Gegensatz zu 210 Millionen aktiven Snapchat-Usern (Oktober 2019). Gerade die Produktion von Kurzfilmen hat sich zum beliebtesten Werkzeug in der Insta-App entwickelt. Auf einfachste Art und Weise können Bilder und Filme eingebettet, mit Schriften und grafischen Effekten hervorgehoben, getaggt und verlinkt werden. Die Kategorisierung der Beiträge ähnelt den sogenannten #Hashtags, die wir aus der Twitter-Welt kennen.


Twitter selbst konzentriert sich nach wie vor eher auf das Personenmarketing als auf Marken- oder Händlerkampagnen. Als Hauptwerkzeug des Be-A-Star-Business setzt Twitter auf Selfie-Inszenierungen plus Kurznachrichten. Und auch hier gilt: Unterschätze nie die Kraft der Bilder! Je ästhetischer, desto einträglicher. Oder - in Zeiten von #Bodyshaming und #FridaysForFuture - je authentischer und ehrlicher, desto „lauter“ der Rückhall und damit die Verbreitung von Social- Media-Content.


Fast scheint der Hyperlink auf Textbasis ausgedient zu haben, stattdessen übernimmt das Bild, besser das bewegte Bild, die Linkstrukturen. Gleiches zeigt sich in der Verschmelzung von Facebook-Posts mit eingebetteten YouTube- oder Vimeo-Filmen und GIF-Animationen. Ihr Anteil überwiegt. Das einzelne Foto im Facebook-Post wirkt fast schon verloren und langweilig. Es geht also nichts über eine richtige Geschichte (Achtung: Im schlimmsten Fall endet man als Zitat auf der Smashing- und Bashing-Plattform Jodel). Es sei denn, es finden sich gleich mehrere Bilder in einer Art digitales Poesiealbum zusammen. Dann bewegen wir uns in der Pinterest-Welt. Häufig Inspiration und kreative Spielwiese von Lifestyle-Themen wie Mode, Wohnen, Ernährung und Reisen. Hier lassen sich ganz leicht herrliche Moodboards und Stilwelten zusammenstellen. In Verbindung mit „Promoted Pins“ wird gleich ein kompletter Online-Shop daraus.


Stichwort: Online-Shop. Der klassische eCommerce-Shop hat ausgedient. Eher verbindet sich dieser heutzutage mit einer regen Community zu einer ökonomischen Plattform. Bestes Beispiel sind Sport-Brands wie Nike, Reebok oder Rogue. Sie beherrschen perfekt das crossmediale Zusammenspiel von Instagram, Facebook & Co, der hauseigenen Sneaker-App zur Produktpräsentation und fürs Mysterious Shopping-Erlebnis sowie der Selbstinszenierung sportlicher Performance von Marken-Athleten jeglicher Coloeur. Interessant sind in diesem Zusammenhang auch die Sponsoringdienstleistungen für Amateure, die sich rund um das Thema Eigenmarke etablieren. Schließlich haben wir es gerade bei den jüngeren Käufern mit einer digital-affinen Generation zu tun, die die Instrumente zur persönlichen Markenbildung auf höchstem technologischen Niveau perfekt beherrscht. Herkömmliche Zielgruppenanalysen können da einpacken.


Ein Beispiel für das crossmediale Zusammenspiel: der Nike Run Club. Screenshot www.nike.com

tischgespraech.de: Lassen sich heute noch mit einem "Digitalkanal" alle Zielgruppen erreichen?

Güldenberg: Ein Kanal für eine Zielgruppe reicht bei weitem nicht aus. Vielmehr ist es der wohl ausgewählte Mix aus verschiedenen Kanälen, der die Musik macht. Denken wir beispielsweise an Mediaformate wie Voice-of-Germany oder Bares-für-Rahres. Hier wird gerade das Zusammenspiel zwischen off- und online zelebriert. Auf der einen Seite kann online gevotet werden, Backstage-Beiträge über YouTube, Streaming-Dienste und Mediatheken stehen bereit, auf der anderen Seite warten eine Reihe von Mega-Events einschließlich Reiselogistik, Hotelwesen, Gastronomie oder, wie bei Bares-Für-Rahres, gleich ein komplettes Schloss im Hintergrund. Übertragen wir dies auf den Handel, landen wir bei Disney World als Shoppingparadies. So wurde dort im August 2019 in der französischen Walt Disney World mit „Star Wars: Galaxy's Edge“ ein riesiger Star Wars-Themenbereich eröffnet; natürlich in Kombination mit entsprechenden Merchandising-Shops. Zum Glück geht es auch ein paar Nummern kleiner.


Walt Disney World, Star Wars: Galaxy's Edge; Screenshot http://www.disneyholidays.com/walt-disney-world/star-wars-galaxys-edge/

tischgespraech.de: Wie stark müssen die technischen Möglichkeiten bspw. das Bewegtbild o.ä. genutzt werden?

Güldenberg: Wir erleben gerade die Einbindung neuer Technologien wie Virtual-, Augmented- oder Mixed Reality in den Handel. Das funktioniert mal besser, mal schlechter. In Kombination mit dem Internet-der-Dinge ergeben sich allerdings interessante Synergien. Der Amazon-Dash-Button war gewissermaßen der Botschafter für die neuen IoT-Devices im Handel. Er ist inzwischen in Deutschland verboten. Aber es reicht auch eine Alexa, ein smarter Lautsprecher oder eine Amazon Echo Look Camera, um die Richtung aufzuzeigen. Neue Technologien werden den Handel nachhaltig verändern. Und zwar off- wie online. Selbst als kleiner Händler kann ich mir die neuen Technologien nutzbar machen. Denn Sensoren, KI oder Robotik werden immer günstiger und bleiben nicht länger den Großkonzernen vorbehalten.


tischgespraech.de: Gibt es Trends bei der Präsenz im Netz - z.B. durch den Einfluss von Instagram und Pinterest etc.?

Güldenberg: Nehmen wir zum Beispiel das Zusammenwirken zwischen Webpräsenz, sozialen Medien und einer wachsenden Community, wie es das New Yorker Kunsthändlerpaar Oralkan auf ihrer Plattform Collecteurs.com forciert. Die beiden machen private Kunstsammlungen im Netz öffentlich zugänglich, bieten den Werken einen „virtuellen“ Raum und begleiten sie gleichzeitig mit einem Magazin, mit Instagram-Fotos, Facebook und allem, was Social-Media zu bieten hat. Auf einmal entsteht ein Kunstmarkt jenseits der Galerien. Privatsammler beginnen, untereinander zu tauschen, verborgene Schätze hervorzuholen und Kooperationen zu schließen. Das bringt den klassischen Kunsthandel ganz schön in Bedrängnis. Denn tatsächlich ist es gar nicht so schwer, den Instagram-Button fürs Shopping-Erlebnis zu integrieren oder auf Facebook einen kleinen, vielleicht live gedrehten Film zu teilen.

Mit The Collecteurs entsteht ein Kunstmarkt jenseits der Galerien, umrahmt von allem, was Social-Media zu bieten hat. Screenshot: kickstarter.com/projects/collecteurs

tischgespraech.de: Im Vortragstitel kommen die menschlichen Bedürfnisse zur Sprache: Wie werden diese digital abgedeckt und was ist nur analog bzw. über den stationären Handel möglich?

Güldenberg: Gegenwärtig setzt sich ein neues Ethikverständnis in Sachen Digitalisierung durch. Datenschutz, Sicherheit und soziale Interaktion spielen eine größere Rolle. Die Herstellerfirmen legen selbst Richtlinien im Umgang mit Technologien fest. Stichworte sind ICN-Ethikkodex, ELSI-Leitlinien (Ethical, Legal, Secure, Interactive), Ethikkommission zur Künstlichen Intelligenz der Bundesregierung, etc. Von Cobots, Sozialrobotik oder Roboterpsychologie ist die Rede. Für den Handel bedeutet es, diese Themen stärker zu gewichten und zu kommunizieren. Das sind wichtige Verkaufsargumente in Sachen Trust-by-Truth.


tischgespraech.de: Und warum sollten die Ambiente-Besucher darüber hinaus zu Ihrem Vortrag kommen?

Güldenberg: Ich denke, ich kann für Zusammenhänge sensibilisieren, die die eigene Arbeit in einem anderen Licht betrachten lassen. Wenn dem so ist, kommt man auf neue Ideen und Gedanken, die helfen, das eigene Unternehmen voranzubringen, sich neue Geschäftsfelder und Käuferschichten zu erarbeiten und die Messe für zukünftige Chancen wahrzunehmen. Darüber hinaus sind meine Vorträge immer leicht verständlich und garantiert unterhaltsam!


Der Vortrag von Lola Goldenberg ist zu hören im Rahmen der Ambiente Academy am 9. Februar 2020, 13.00 Uhr, Halle 11.1, Stand E 51.


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